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α- und ß- Fehler bzw. Fehler 1. und 2. Art

 

 

Zur  Verdeutlichung der möglichen Fehler bei  statistischen  Entscheidungen  beschränke  ich  mich im  folgenden  auf  einseitige Fragestellungen. Es wird also von der Frage ausgegangen, ob  sich durch  die Einnahme eines Medikaments das Reaktionsvermögen  verlangsamt, ob µ > µ0 ist.

Gehen wir wiederum von einem Mittelwert in unserer Stichprobe von 105  ms aus. Die Wahrscheinlichkeit dafür, eine derartige  Abweichung  oder eine noch größere unter Geltung der Nullhypothese  zu bekommen, wird als Überschreitungswahrscheinlichkeit  bezeichnet. Wir erhalten sie, indem wir den Mittelwert  von 105 z-transformieren.

 

In unserem konkreten Fall ergibt das:

 

z = (105 - 100) / 2,5 = 2

 

Die  Fläche von -unendlich bis 2 ergibt  die  Wahrscheinlichkeit, bei  einem Mittelwert der Stichprobenkennwerteverteilung von  100 und einem Standardfehler des Mittelwertes von 2,5 einen  Mittelwert kleiner  als  105 zu bekommen. Diese  Wahrscheinlichkeit  beträgt 0,9772

Die Überschreitungswahrscheinlichkeit ist nun nichts anderes  als 1 - 0,9772 = 0,0228

Wie wir bereits wissen, ist ein derartiges Ergebnis unter Voraussetzung der Nullhypothese nicht unmöglich. Die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges Ergebnis - 105 ms oder mehr - beträgt 0,0228

 

Aufgrund  eines Signifikanzniveaus von p ≤ 0,05  verwerfen wir die Nullhypothese und entscheiden uns für die Alternativhypothese.  Eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 0,0228 ist zwar unwahrscheinlich,  sie ist aber nicht unmöglich. Verwerfen wir die Nullhypothese aufgrund dieser Überschreitungswahrscheinlichkeit, so besteht daher immer noch ein Restrisiko, dass die Nullhypothese dennoch richtig gewesen wäre. Die Wahrscheinlichkeit für dieses Restrisiko entspricht exakt der Überschreitungswahrscheinlichkeit. Diese ist nämlich die Wahrscheinlichkeit  unter  Geltung  der Nullhypothese  eine Abweichung von 105 oder mehr ms zu  bekommen. Sie wird daher auch als Irrtumswahrscheinlichkeit  oder als Wahrscheinlichkeit für einen α -Fehler (Fehler 1.Art) bezeichnet. Es ist dies die Wahrscheinlichkeit fälschlicherweise  die  Nullhypothese zu verwerfen.

 

Nun stehen wir bei der Frage, ob wir die Nullhypothese  verwerfen oder  akzeptieren sollen, vor zwei  Entscheidungen:  Entscheidung zugunsten der Nullhypothese oder Entscheidung gegen die Nullhypothese.  Beide Entscheidungen können falsch sein. Den  Fehler,  sich  fälschlicherweise für  die  Nullhypothese  zu entscheiden,  obwohl die Alternativhypothese richtig wäre, wird als  ß-Fehler bzw. Fehler 2.Art bezeichnet.

Um sich diesen zweiten Fehler besser veranschaulichen zu  können, gehen wir zunächst davon aus, der Mittelwert µ1 unter Geltung  der Alternativhypothese sei uns bekannt. Nehmen wir also  probehalber an,  nach Einnahme des Medikaments würde  eine  durchschnittliche Reaktionszeit  von  110 ms auftreten. µ1 sei also 110.  Auch  für diese Population können wir die Stichprobenverteilung der Mittelwerte  berechnen. Der Standardfehler dieser Verteilung sei  ebenfalls  2,5. Beide Verteilungen - die Kennwertverteilung der  Mittelwerte  unter Geltung der H0 und die  Kennwertverteilung  unter Geltung der H1 - überschneiden sich in einem Bereich.

Die Fläche links vom Mittelwert von 105 stellt die Wahrscheinlichkeit dar, irrtümlicherweise sich gegen die H1 zu entscheiden. Dies ist die Wahrscheinlichkeit des ß-Fehlers.

Stellen wir dies graphisch dar:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Die verschiedenen Entscheidungsalternativen und die damit verbundenen  Wahrscheinlichkeiten  lassen sich  schematisch  wie  folgt zusammenfassen:

 

Entscheidung                                 Tatsächlich richtig ist

zugunsten von:

                                                     H0                                H1

H0                                                 1- α                              ß

 

 

H1                                                 α                                  1-ß

 

Die  richtige Entscheidung zugunsten der H1 wird auch  als  Teststärke bezeichnet. Es ist dies die Wahrscheinlichkeit, uns  richtigerweise für die Alternativhypothese zu entscheiden.

Da aber µ1 in den Sozialwissenschaften in der Regel nicht bekannt ist  -  wir vermuten nur, daß das  Medikament  die  Reaktionszeit verlangsamt,  wissen  aber nicht, um wie wieviel -  kann  der  ß-Fehler  nicht genau angegeben werden. Wir können daher nicht  die Wahrscheinlichkeit  dafür angeben, uns fälschlicherweise für  die H0 zu entscheiden.

Aus  diesem Grunde sagt man bei einer Entscheidung zugunsten  der H0, die Nullhypothese konnte aufgrund der empirischen  Stichprobe nicht verworfen werden, nicht aber: sie wurde angenommen.

Bei der Hypothesenbildung wird der α -Fehler deshalb klein  gehalten,  um  die mit der Alternativhypothese verbundenen  Kosten  zu minimieren. Eine Minimierung des α -Fehlers bedeutet ein konservatives Testen. Man stelle sich als Beispiel einen Produzenten  von Reifen  vor, der überlegt, ein neues und kostspieliges  Verfahren einzuführen.  Ein statistischer Test soll zeigen, inwiefern  die  neue Produktion  tatsächlich zu einer besseren  Reifenqualität  führt. Wegen der hohen Umstellungskosten wird sich der Produzent nur  im Falle einer hohen Signifikanz - also bei einem möglichst  kleinen α -Fehler für die neue Produktion entscheiden.